Die Eigentümerversammlung in Zeiten von Corona

Die Eigentümerversammlung in Zeiten von Corona  

gem. §23 WEG waren regelmäßig innerhalb der ersten sechs Monate des laufenden Wirtschaftsjahres durchzuführen. Eine Verzögerung der Eigentümerversammlung entspricht aus WEG rechtlicher Sicht einer Pflichtverletzung des Verwalters.

Die Versammlung setzt nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Verwaltung eine fristgemäße Einladung (2 Wochen) voraus, welche die Möglichkeit der physischen Anwesenheit in einem die Öffentlichkeit ausschließenden Raum bietet. Vollmachten können natürlich erteilt werden, ggf. laut Gemeinschaftsordnung nur an einen ausgewählten Personenkreis.

Die Eigentümerversammlung seit Corona…. 

……ist teilweise möglich! Achten Sie hier auf die regionalen Regelungen.

Corona zwingt uns zu massiven Einschränkungen, die unsere Parlamente in beeindruckendem Tempo auch in die Form von gesetzlichen Vorschriften rechtsverbindlich geregelt haben. Die Rahmenbedingungen ändern sich täglich durch neue Vorschriften. Dies führt auch bei der Verwaltung von WEGs zu massiven Änderungen und zu Verwirrungen, die im Augenblick vor allem die Kardinalspflicht der WEG und des Verwalters betreffen: die Eigentümerversammlung!  

Allem voran ging zunächst der Aufruf zum social distancing. Es folgten die, in den einzelnen Bundesländern jeweils unterschiedlichen, Rechtsverordnungen.

Aufgrund dieser Situation hat der Bundestag das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ beschlossen. Unter anderem gibt es dort Regelungen zum WEG Recht und zum Mietrecht. Es ist davon auszugehen, dass das Gesetz in den nächsten Tagen verkündet wird. Damit gilt temporär bis zum 31.12.2021 für Wohnungseigentümergemeinschaften folgendes:

§ 6 Wohnungseigentümergemeinschaften

(1) Der zuletzt bestellte Verwalter im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes bleibt bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt.

(2) Der zuletzt von den Wohnungseigentümern beschlossene Wirtschaftsplan gilt bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans fort.

Eigentümerversammlung trotz Versammlungsverbot in Berlin seit dem 23.03.2020?

Sollte eine Eigentümerversammlung stattfinden und Beschlüsse gefasst werden, weil sich ein Teil der Eigentümer ordnungswidrig verhält und im Übrigen ausreichend Vollmachten vergeben worden sind, so sind die in dieser Versammlung gefassten Beschlüsse anfechtbar, wenn nicht sogar nichtig. Aktuelle Rechtssprechung (Stand Oktober 2020) der ersten Amtsgerichte deuten auf einen Verstoß elementarer Kernrechte und damit auf eine Nichtkeit der gefassten BEschlüsse hin. Dies hat Auswirkungen auf den Verwalter und die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Es muss ggf. durch Zweitbeschlüsse Rechtssicherheit geschaffen werden. Die Eigentümer können ihr Recht auf Teilnahme nicht ausüben, wenn es Ihnen ordnungsrechtlich untersagt ist, sich zu versammeln und sie deshalb der Einladung nicht Folge leisten.

Sicherlich mit guten Absichten versenden einige Verwalter jetzt Einladungen und weisen mehr oder weniger direkt darauf hin, dass die Versammlung nur bei ausreichender Anzahl von Vollmachten an den Verwalter, maximal noch an eine weitere Person (je nach dem was in dem jeweiligen Bundesland zulässig ist), durchgeführt werden kann. Ziel ist es, dass der Verwalter durch eine ausreichende Anzahl von Vollmachten in einer one-man-show beschlussfähig wird und eine Mehrheitsentscheidung herbeiführt, die er dann sich selbst verkündet. In der Realität schreibt der Verwalter einfach nur ein Protokoll – vermutlich-.

Auch dieses Szenario entspricht nach hier vertretener Ansicht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, da die Eigentümer von vornherein nur die Wahl haben zwischen einer Bevollmächtigung oder dem Fernbleiben. Eine echte Versammlung bei physischer Anwesenheit ist von vornherein nicht gewollt.  An dieser Stelle werden die Voraussetzungen eines Umlaufbeschlusses umschifft. Auch die Möglichkeit der digitalen Zuschaltung dürfte diesen Mangel nicht ausräumen. Es liegt die Vermutung nahe, dass derartig gefasste Beschlüsse schon mangels Einladung nichtig sind, jedenfalls aber anfechtbar.

Selbst, wenn derzeit viel für eine Nichtigkeit spricht. Aus anwaltlicher Vorsicht denken Sie an die Anfechtungsfrist, die auch hier nur einen Monat beträgt!  

Anfechtungsfristen auch in Zeiten der Coronapandemie beträgt ……

……….nur einen Monat und die Begründungsfrist nur 2 Monate (§46 WEG)

Dies betrifft Beschlüsse aus nicht zulässigen Eigentümerversammlungen, aber auch ggf. gefasste Umlaufbeschlüsse.

Daran hat sich absolut nichts geändert und die Gerichte sind nach wie vor personell in der Lage, den rechtzeitigen Eingang von Schriftsätzen zu dokumentieren, auch wenn wir jetzt auf mündliche Verhandlungen vielleicht sehr lange werden warten müssen. 

Der Gang zum Rechtsanwalt ist übrigens nach der derzeitigen in Berlin geltenden Rechtsverordnung ausdrücklich ein rechtfertigender Grund sein Heim zu verlassen. Nutzen Sie dennoch die digitale Kommunikation.

Probleme und mögliche Folgen der ausbleibenden Eigentümerversammlung für die WEG – Alternativen zur klassischen Wohnungseigentümerversammlung

Beschlussfassungen bleiben auch in Zeiten von Corona eine wichtige Grundlage des Verwalterhandelns. Weder die gesetzliche Ausnahmeregelung des Bundes noch die Ausnahmesituation erweitern die Handlungskompetenzen für den Verwalter.

Gerade in dieser Zeit gilt es für Eigentümer daher die Augen aufzuhalten!

Allein im Fall der sog. Notgeschäftsführung ist es einem einzelnen Eigentümer oder dem Verwalter erlaubt ausnahmsweise, Maßnahmen ohne Beschlussfassung zu ergreifen (§21 Abs.2 WEG). Eine Instandhaltungsmaßnahme als Notmaßnahme darf sich aber nur auf das absolut notwendige beschränken, zur Vermeidung eines drohenden Schadens. Dieser muss zumindest so unmittelbar bevorstehen, dass eine Beschlussfassung nicht mehr möglich ist. Weiteres kann im Einzelfall natürlich durch Vereinbarung oder durch eine bestehende Beschlusslage geregelt sein.

Umlaufbeschluss

Es bleibt den Eigentümern unbenommen, Beschlussfassungen im Wege des Umlaufbeschlusses durchzuführen.Nach wie vor dürfte sich aber das Problem stellen, dass gem. §23 Abs.3 WEG alle Eigentümer Ihre Zustimmung zu dem Beschluss schriftlich erklären müssen. Dies dürfte in kleineren WEGs funktionieren.

Ob das Aussetzen von Eigentümerversammlungen, die schriftliche Zustimmungsbereitschaft der Eigentümer steigert, bleibt abzuwarten. Jedenfalls ist es immer möglich durch digitale Kommunikation, Telefonkonferenzen oder in digitalen Meetings, an denen heute unproblematisch sehr viele Personen teilnehmen können, Umlaufbeschlüsse zu diskutieren und vorzubereiten. Lediglich die Beschlussfassung selbst dürfte auf diesem Wege – Stand heute- noch nicht möglich sein.

Jedenfalls sind durchaus Situationen vorstellbar, in denen der Verwalter im Sinne der ordnungsgemäßen Verwaltung jetzt in der Pflicht ist, das Umlaufbeschlussverfahren in die Wege zu leiten. So können zum Bsp. Schäden zu beheben sein, ohne deren zeitnahe Erledigung weiterer Schaden zu befürchten ist.

Beispiel: Wanddurchfeuchtungen oder Schäden am Dach, die ohne Beseitigung langfristig weiteren Schimmel verursachen oder sich ausweitende Nässe.

Der Verwalter ist verpflichtet, notwendige Beschlussfassungen herbeizuführen. Wenn in der aktuellen Situation der Umlaufbeschluss die einzige Möglichkeit ist, so sollte er handeln, und zwar frühzeitig. Dies gilt umso mehr, je länger das derzeitige Versammlungsverbot andauert. Hier ist die Zukunft noch ungewiss.

Virtuelle Eigentümerversammlung, noch nicht möglich

Die derzeitige Gesetzeslage gibt nach h. M.  keine Grundlage für eine ausschließlich digitale Eigentümerversammlung. Dies ist nur möglich, wenn die Gemeinschaftsordnung dies ausdrücklich regelt. Der Begriff der „Versammlung“ wird nach herrschender Meinung immer noch als physische Anwesenheit verstanden. Die virtuelle Versammlung würde diese Voraussetzung nicht erfüllen.

Die digitale Zuschaltung der Eigentümer bei gleichzeitiger Bevollmächtigung des Verwalters oder eines Dritten, ist ein Versuch, die bestehende Rechtslage „auszutricksen“. Umstritten ist der Weg deshalb, weil die Gefahr eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Versammlung droht und auch, weil mit der digitalen Zuschaltung sowohl der Bevollmächtigte als auch der vertretene Eigentümer gleichzeitig in der Versammlung präsent sind. Letzteres ist in der „analogen“ Versammlung nicht zulässig. Ein unter digitaler Zuschaltung von Eigentümern gefasster Beschluss dürfte nach derzeit geltendem WEG Recht anfechtbar sein. Dies dürfte erst recht bei dem derzeitig geltenden Versammlungsverbot gelten, denn die Einladung zu einer Versammlung muss nach h.M. auch immer mit der Möglichkeit der physischen Präsenz der Eigentümer einhergehen (s.o.).

Ausblick: die digitale Eigentümerversammlung nach der WEG Reform

Ganz im Schatten der Coronapandemie soll das WEG-Recht zum 1. Dezember 2020 geändert werden. Der Entwurf erntet sowohl Kritik als auch Zustimmung. Mehr denn je wird aber deutlich, dass der Entwurf hinsichtlich der Digitalisierung der Eigentümerversammlung längst überfällig ist.  

Neben vielen anderen Neuerungen wird nach dem Gesetzesentwurf die Onlineteilnahme an der Eigentümerversammlung durch Beschluss gestattet werden können. Die Vollmachten können in „Textform“, d.h. auch per einfacher E-Mail übersandt werden. Eine Originalunterschrift muss dem Verwalter nicht mehr vorliegen. Die Ladungsfrist soll auf 4 Wochen ausgeweitet werden.

Die entsprechende Softwarelösung liegt bei vielen Anbietern schon vor, bis hin zu einem virtuellen Versammlungsraum, in dem jeder Eigentümer durch einen „Avatar“ virtuell präsent ist. Man kann sicherlich davon ausgehen, dass hier die Zukunft liegt.

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Miet- und Wohungseigentumsrecht, Lorraine Picaper

Akademie für Wohnungseigentümer 27.03.2020 (aktualisiert Oktober 2020)